Stigmatisierung von Angehörigen nach einem Suizid – Wenn Trauer auf Schweigen trifft

Was erleben Angehörige nach einem Suizid? Dieser Artikel zeigt, wie Rückzug, Schweigen und Stigma die Trauer zusätzlich erschweren – und was wir dagegen tun können.
Birgit Wagner - Verhaltenstherapie Berlin - Stigmatisierung Suizid

Der Tod eines geliebten Menschen durch Suizid ist für Angehörige ein zutiefst einschneidendes und oft traumatisches Ereignis. Neben dem ohnehin schmerzhaften Trauerprozess sehen sich viele Hinterbliebene zusätzlich mit einem gesellschaftlichen Tabu konfrontiert: der Stigmatisierung.

Rückzug des sozialen Umfeldes und Schweigen

Trotz des wachsenden öffentlichen Bewusstseins für psychische Gesundheit erleben viele Angehörige nach einem Suizid nach wie vor Zurückweisung, Unverständnis oder sogar Schuldzuweisungen aus ihrem Umfeld. Diese soziale Stigmatisierung äußert sich etwa in der Vermeidung von Gesprächen über den Suizid, in einem spürbaren Rückzug von Freunden oder Bekannten oder in direkten, oft verletzenden Kommentaren.

Manche Angehörige berichten davon, dass sie das Gefühl haben, andere fühlten sich in ihrer Gegenwart unwohl oder wüssten nicht, wie sie reagieren sollen. Diese unbeholfene oder gar ablehnende Haltung führt häufig zu einer Rückzugsspirale: Die Betroffenen ziehen sich zurück, schämen sich, beginnen, sich selbst zu stigmatisieren. In vielen Fällen bedeutet das sogar, dass der Suizid innerhalb der Familie oder im Freundeskreis verschwiegen wird.

Was hier geschieht, ist eine doppelte Verletzung

Zur schmerzhaften Trauer kommt das Gefühl, in der Gesellschaft keinen Raum dafür den Verlust zu haben. Diese zusätzliche Belastung kann nicht nur die psychische Gesundheit weiter belasten, sondern auch das Risiko für eigene suizidale Gedanken erhöhen.

Was können wir als Gesellschaft tun?

Zunächst braucht es Aufklärung, sowohl über Suizidalität, psychische Erkrankungen und die Realität betroffener Familien nach einem Suizid. Wir müssen lernen, hinzusehen, zu fragen, zuzuhören. Wer trauernden Angehörigen mit Empathie und Offenheit begegnet, kann mehr bewirken als jede wohlgemeinte Floskel.

Angehörige, die einen Menschen durch Suizid verloren haben, brauchen das gleiche Mitgefühl, die gleiche Unterstützung und das gleiche Verständnis wie alle Trauernden. Die Trauer um einen Suizid ist keine „andere“ Trauer – sie ist oft nur schwerer, einsamer und von mehr offenen Fragen begleitet.

Statt mit Vorurteilen und Schweigen zu reagieren, sollten wir Räume schaffen, in denen das Schwere und Belastende gesagt werden darf. Nur so kann Heilung in einer Gesellschaft beginnen, die nicht ausgrenzt, sondern mitträgt.

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